Eine der häufigsten Fragen unserer Zeit bezogen auf die Kunst bleibt, ob sich die Kunst als individuelles Ereignis inmitten intendierter Referenzen behauptet. Das Werkdenken oder das Ästhetische der Kunst kennt zwar eine Linie bzw. hat immer eine Vorahnung und knüpft an objektiven Zusammenhängen oder bekannten Assoziationen an, durchlebt aber keine lineare Existenz und zieht wiederum andere nichtlineare Existenzen nach sich. Die Kunst handelt selektiv nach eigenen Ereignissen und ist keinem Diktat einer geordneten Evolution unterworfen.
Sie begibt sich in die Konsequenz und Inkonsequenz des Gedachten und des Ungedachten. Das Ästhetische im Kunstwerk ist nicht nur durch eine Methode, Technik oder einen Diskurs, welcher die Dinge identifiziert, die der Kunst als zugehörig verstanden werden, begründet. Sie vergegenwärtigt darüber hinaus das andere Bild, die andere Vorstellung und strapaziert das Gewöhnliche bis auf das Äußerste.
Ausstellungen, insbesondere kuratierte Gruppenshows sind Schauplätze für Spannungen und Landschaften für den dekonstruierenden Blick sowie für die Intensivierung der Zeitkontingente (Erscheinung und Innerbilderwelten der Kunstwerk). »eines Augenblickes Zeichnung« Rilke
Ausstellungen sind räumliche Non Sites, abgeschieden von jeglicher Interaktion der täglichen Arbeit. Sie sind Abrupte Intervalle einer Art Prüfung für das Kunstwerk sowie für die „Ideen dahinter“. Es geht nicht nur darum zu überzeugen. Die Irritation hilft, wenn der Blick von einem Schauplatz (Kunstwerk) zum anderen Ereignis (Kunstwerk) schweift.
Sleepwalking Berlin 2012 reiht sich in der zweiten Auflage nach Köln (2009) in die Ausstellungspraxis der Begrifflichkeiten des Intervalls, des Einblickens und des Ausblickens sowie des Gleitens in Unruhe und Ruhe. Sleepwalking versammelt Beiträge von mehreren Künstlern und Künstlerinnen, die der Wiener Kunstszene verbunden sind.
Schlafwandeln ist das Zauberwort angesichts einer fortschreitenden Research Doktrin und ihrer Konstrukte. Sleepwalking Korreliert mit dem Interventionismus des Herausschneidens der Ereignisse aus deren Gewöhnlichkeit.
Das kuratorische Konzept ist darauf ausgerichtet, außer Acht zu lassen wie die Kunstwerke uns erscheinen oder wie sie entstanden sind...einzig und allein zu beschreiben, wie sie in der Ausstellung mit Stationen, die vielleicht mit einander wie auf einer Wanderungskarte fiktiv oder tatsächlich verbunden sein könnten, in Bezug zu bringen sind. Dieses mögliche Entweichen oder Entrücken materieller Präsenz, findet auf der Flucht vor dem im Kontext der Ausstellung angesprochen Zustand statt und ähnelt dem Schlafwandeln, dessen Startpunkte naturgemäß nicht bekannt sind. Schlafwandlerisch entflieht die Kunst jener Gewöhnlichkeit des Diskurses, der sie ständig aufsaugt. Schlafwandeln im Sinne der >>Intention des Nichtintendierten<<.
Diese Metapher suggeriert einen der möglichen Ursprünge des ästhetischen Denkens. Angelehnt an den Text des französischen Philosophen Jacques Ranciere “Die Aufteilung des Sinnlichen” findet sich folgende Stelle seiner Kritik am Kunstdiskurs, die eine mögliche Interpretation des Wesens dieses Schlafwandelns andeutet:
“Das Wort Ästhetisch verweist nicht auf eine Theorie der sinnlichen Erfahrung, des Geschmacks oder der Freuden der Kunstliebhaber. Es verweist im eigentlichen Sinne auf die spezifische Seinsweise dessen, was der Kunst zugehörig ist, also auf die Seinsweise ihrer Objekte. Im ästhetischen Regime der Künste werden die Dinge, die der Kunst zugerechnet sind, durch Zugehörigkeit zu einem spezifischen Regime des Sinnlichen identifiziert. Dieses Sinnliche, aus seinen üblichen Verbindungen gelöst, wird von einer heterogenen Macht bewohnt, von der Macht eines Denkens, das sich selbst fremd geworden ist: ein Produkt, das kein Produkt ist, ein Wissen, das in Nichtwissen verwandelt wurde, ein Logos, der zugleich Pathos ist, die Intention des Nichtintendierten etc. Die Idee eines sich selbst fremd gewordenen Sinnlichen als Sitz eines sich ebenso fremd gewordenen Denkens bildet den unveränderlichen Kern all jener Identifizierungen von Kunst, die das ästhetische Denken ursprünglich ausmachten (...).“
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