Biografia

Der Künstler in der „Mitte“ oder an der „Peripherie“?

Im Kontext meiner bisherigen künstlerischen Arbeit spielte "das Fremde", die Peripherie, das Verhältnis von Natur und Technik als zivilisatorische Phänomenologie eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt aus subjektiven Beweggründen begleiten mich diese Komplexe weitergehend.
Vor dem Hintergrund der Digitalen Revolution der letzten 30 Jahre, erscheint meine künstlerische Intention mit der ich begann, fast überlebt: Die Morphologie und die Auswüchse des Mechanischen und Technischen auf die Natur und den Menschen. Das mechanische Zeitalter wurde vom digitalen so schnell und rasant überholt.
Die Situation des Menschen und der Natur hat sich dadurch nicht verbessert. Einiges ist leichter: dies bemerke ich hier beim Tippen in den Laptop! Aber die Vereinzelung, Vereinsamung des Menschen, das Verschieben der Kultur und Künste an die Peripherie wir stärker und beunruhigend verheerend. In die Mitte nimmt man sie gerne als Präsentation von Macht. Von daher ist so etwas wie ein Wirtschaftsfeudalismus entstanden.
Weiterhin sind die neuen Medien für eine rigorose Abwertung künstlerischer Ergebnisse unterschiedlicher Disziplinen verantwortlich. Die Inflationierung von Bildphänomenen sei hier nur als ein Beispiel genannt. Was dies für einen Wirkung auf das kulturelle Kapital einer Gesellschaft hat, ist an unseren Schulen und im Programm privater Fernsehsender sichtbar und erschreckend wahrzunehmen: Semantische Verkrümmung und Wahrnehmungsverflachung ist die Folge.
Der Künstler, der sich mit diesen Systemen und „Neuerungen“ nicht arrangiert, begibt sich scheinbar in ein Parallel-Universum. Picasso, der zu Lebzeiten schon gesellschaftlichen Ruhm genoss, behauptete, dass der Künstler immer an und in der Peripherie arbeiten solle, da das Zentrum eine Gefahr darstelle.
Heißt dies im Umkehrschluss, dass der Künstler in der "Mitte" der Gesellschaft verloren geht, dass er nur in der Rolle des "Außenseiters" agieren und arbeiten kann, da er sich in der Mitte zu vielen Kompromissen, der Mittelmäßigkeit und dem Trivialen unterwerfen muss? Ich denke ja! Blicke in kunstgeschichtliche Biographien scheinen das zu beweisen.
Ich bin der Meinung, dass sich der Künstler einen gesunden Anarchismus leisten muss, um die Souveränität des kritischen, offenen und außenstehenden Betrachters nicht zu verlieren. Er ist herausgefordert den Zweifel zu kultivieren. Oder wie Max Ernst sagte: der Maler der sich findet, ist verloren!
Setzen wir also das Periphere zur Kunstproduktion voraus (mental wie räumlich), dann kann es sich nur um Kunst handeln, die nicht ausschließlich formal ästhetische Probleme behandelt, sondern Ästhetik als eine Sprache benutzt, um die Phänomene der Mitte, der Peripherie mit der Situation des Menschen und der Natur oder ganz allgemein: ein Bild der Welt zu beschreiben.

Michael Schulze im März 2010